In der vierten Episode des Podcasts „Der Schalltrichter“ erzählt Thomas Speck von seinen Erlebnissen und Beobachtungen während einer Busfahrt in die Stadt. Mit seinem gewohnt sarkastischen Humor und scharfen Blick beschreibt er die alltäglichen Herausforderungen des öffentlichen Nahverkehrs, von überfüllten Bussen bis hin zu den typischen Verhaltensweisen der Mitfahrenden.

Damit der politischen Korrektheit Genüge getan wird, gleich vorweg:
Weiße fahren schwarz und manche Schwarze fahren schwarz – aber Schwarze Fahrer sind nicht zwangsläufig Schwarzfahrer!
Das muss gesagt sein, um jenen mit mangelnder Verständniskompetenz ein wenig zu helfen zu verstehen, das dies hier kein rassistischer Text ist – wobei mir der ganze Antirassistische Sprachbegradigungsmüll ansonsten dort vorbeigeht, wo nicht einmal eine schwarze Sonne scheint.

Ich lebte in einem Vorort einer mittleren Industriestadt, schön im Grünen einer alten Arbeitersiedlung. Ganz in der Nähe befinden sich Supermarkt, Bäckerei, Caféhaus und Trafik und in kaum 15 Minuten zu Fuß erreiche ich ein Einkaufzentrum. Und in weniger als 30 Busminuten liegt auch unsere Bezirkshauptstadt. Weshalb ich mich entschied, kein Auto zu haben – ich brauch es einfach nicht.
Die Wege für Behörden oder wenn es doch mal innerstädtisch werden muss, fahre ich mit dem Bus. Obwohl ich das Busfahren im Grunde absolut vermeide – ich geh lieber eine stunde zu Fuß, als 10 Minuten in einem Bus zu stecken.
Denn auf der Strecke in die Stadt liegen 3 Schulen.

Wenn man denn mit dem Bus fahren muss so findet man sich Eingepfercht in einer dampfende Masse an quirlenden, schreienden Schultaschenträgern wieder.
Junge Menschen dieser Tage nehmen ihre Taschen nicht mehr ab und stellen sie auf den Boden, um so mehr Raum zu geben und Bewegungsfreiheit, nein diese Bildungswarzen bleiben auf dem Rücken.
Früh-pubertäre Diven fläzen sich auf den Doppelsitzen, die Füße wohlig von sich gestreckt – oder auf dem gegenüberliegenden Sitz, ihre Pseudo-Designer-Schultasche neben sich – die alte Dame mit Gehstock, die kaum groß genug ist, eine der Halteschlaufen zu erreichen wird absichtlich bemüht übersehen.
Unzählige Schwaden viel zu dicht aufgetragener Parfüms vermischen sich mit dem Mief schlechten Atems; all das verbindet sich mit dümmlichen Texten Deutscher Rapper, brunftigem Gebrüll viel zu junger Männer und dem Gekreisch verwöhnter Bälger zu einer alle Sinne belastenden Kakophonie.
Wohl dem, der eine Fahrkarte hat und sich deshalb erlauben kann im hinteren Teil des Busses einzusteigen! Denn die Masse kleiner Kröten mit beschultaschtem Rücken oder Halbwüchsiger Gören die sich gegenseitig über den sexy Jungen aus der Parallelklasse beklatschen verstopfen stets die vorderen Gänge.

Zwingt einen der Tag jedoch beim Chauffeur zuzusteigen um sich eine Fahrerlaubnis zu kaufen, bestätigten sich die Gesetze von Physik und Rudelverhalten.
Der schieren Menge an Arroganz – „ich will mich hier mit meiner Freundin unterhalten!“ – und die physikalischem Regeln der Verstopfung beengter Gänge durch zu viele Teilchen, kann selbst ich, der ich mich für kräftig halte, nichts entgegensetzen.

So endet man vorne beim Fahrer im Zustiegsbereich, wohl wissend, das man selbst zur Zielscheibe der nächsten Personen wird, die ebenfalls einen Fahrschein brauchen. Am Ende wird das eigene Nervenkostüm bis zur Belastungsgrenze geprüft und der größte Erfolg ist es schon, wenn man sein Ziel erreicht ohne Schultaschenverbeult zu sein.

Die einzige Waffe gegen die Beleidigung meiner Sinne ist der Stumpfsinn. Man kann mir glauben, ein gut geübtes herunterfahren von Gehirnaktivität lässt auch die lautesten Rüpel erträglich werden – es fühlt sich an, als würden die miasmischen Schwaden heutiger Gesellschaft wie ein Güterzug am Bahnsteig an mir vorüberrollen. Laut und zugig, aber bedeutungslos.

Vor ein paar Wochen hatte ich in der Bezirkshauptstadt zu tun und unterbrach die Heimfahrt in meiner Wohnstadt um Mittag zu essen um danach weiterzufahren und endlich heim zu kommen. Es war wenig los und, im Besitz einer Tageskarte, konnte mir den Luxus leisten durch die hintere Tür dem Bus nach Hause zuzusteigen.
Die Türe hatte sich noch nicht ganz geöffnet, als zwei Junge Männer, ganz offensichtlich der maximal pigmentierten Mitmenschen zugehörig, heraussprangen und damit eine Sitzbank freigaben – das war alles was mich in diesem Moment wirklich interessierte.
Ich setzte mich also, froh meinem müden Hintern Gelegenheit zu geben seiner Aufgabe gerecht zu werden, auf einen der Plätze.
Der Bus war gut befüllt, aber bot noch genug Atembare luft, um zumindest die erste Strecke eine entspannte Fahrt zu versprechen. Der wahre Prüfpunkt – die Höhere technische Bundeslehranstalt – sollte erst noch kommen, was muss ich auch um die Mittagszeit meine Fahrten machen.
Die Türhydraulik zischte schon, als sich dieselben Jungs von vorhin, laut unterhaltend, durch die sich schließende Tür wieder in den Bus zwängten und mir dabei einen seltsamen Blick zuwarfen.
Da wurde mir klar, die beiden könnten Schwarzfahrer sein.

Und Nein meine Lieben, ich beziehe mich nicht auf die Pigmentanzahl pro Quadratzentimeter Epidermis der beiden. Die Zwei haben mich wohl mit einem Kontrolleur verwechselt, was wahrscheinlich meiner Umhängetasche geschuldet ist.
Das ganze Benehmen schien künstlich und übertrieben, die Nervosität war ihnen anzusehen, obwohl sie sich, da an ihrem Stehplatz, wo man sonst einen Kinderwagen abstellt, betont cool gaben. Ich grinste so in mich hinein und dachte mir: wie deren Benehmen wohl wäre, wenn nun tatsächlich kontrolliert würde?

Die Weiterfahrt war zunächst unspektakulär – bis – ja, bis besagte Schule in Sichtweite kam. Wie um Himmels willen, sollen so viele Leute in einen Bus passen?
Eine Armee blamabler Brüllaffen und angehender it-insta-Girls ergoß sich über die meist unschuldigen Fahrgäste. Und die Kakophonische Masse wurde kritisch aufgeladen. Ich gab mich schleunigst wieder meinem Stumpfsinn hin und versank in der Dämmerung meiner Gedankenspiralen, um …

„Faaaahrscheine Bitteee“
Ruckartige Stille – sich vergewissernde unsichere Blicke, ob man wohl keinem dummen Streich aufsitze, schossen durch den Bus, gefolgt von leise aufkommenden Geflüster und Geraschel.
„Fahrscheinkontrolle, bitte die Fahrscheine vorzeigen“.

Oh, wie schlau! 2 Kontrolleure, einer im hinteren Teil – einer Vorne, haben die Deckung aus Brüllaffen und Barby-girls nutzend, den Bus unbemerkt infiltriert und erobern nun das Schlachtfeld aus Leibern und Taschen.

Es ist interessant , zu beobachten, wie hektisch manche Menschen werden, weil sie keinerlei Aufmerksamkeit dafür hatten, wo sie denn den Fahrschein erst wenige Minuten zuvor hin gesteckt haben.
Da kramen vor allem ältere Damen verzweifelt in ihren Kunst-ledernen Handtaschen, werden immer nervöser um schlussendlich, den Tränen nahe, den Inhalt ihrer Tasche noch ein letztes mal zuoberst zu kehren.
Mir kann das nicht passieren, weil ich die Gewohnheit habe, Fahrscheine des Tages immer in einem Fach meiner Handy Hülle zu stecken und mein Handy verliere ich niemals.

Und die beiden dunklen Jungs?
Wisst Ihr, wie dunkle Menschen weiß um die Nase werden? Sie werden grau. Also schlagartig grau um die Nase, ihre Augen groß wie Golfbälle, starrten sie sich zunächst erschrocken an, um sich hernach hektisch umzusehen. Eingekeilt in die nun halblaute Menge oben erwähnter Sprösslinge, hilflos und keinerlei Fluchtweg mehr übrig -ein Kontrolleur an der hinteren Türe, einer der sich von vorne durch die Leiber pflügt – kein Fluchtweg und der Bus bereits in Fahrt. – fast könnten sie mir leid tun, aber Nein, ich habe – innerlich natürlich – gelacht aus vollstem Herzen.
Ich kann mir das Kichern auch jetzt kaum verkneifen, wenn ich mir bildhaft in Erinnerung rufe, wie den beiden die Gesichtszüge entgleisten. Leicht geduckt mit halbgeöffnetem Munde, blieb ihnen nichts anderes als dem Amts und Würdenträger entsetzt zuzusehen, wie er sich zielsicher den Weg zu Ihnen bahnte.

Langsam dämmerte es auch allen anderen Fahrgästen, das sie gleich kostenlos in den Genuss eines Stegreif-komödiantischen Stückes kommen werden.
In gespannter Erwartung der Darbietung, drehten sich die Köpfe und aller Augen richteten sich auf die Hauptdarsteller. Peinlich, gedemütigt wie traufend nasse Hunde, wand sich das Duo unter den amüsierten Scheinwerfer-Blicken, es war greifbar, schmerzhaft greifbar, wie unangenehm das sein musste.
Der Aufforderung, doch bitte einen Fahrschein zu zeigen, konnten sie nicht folge leisten – es entspann sich ein Kabareskes Streitgespräch um die haarsträubende Erklärung, das sie gleichzeitig im Caféhaus ihre Ausweise verloren.
Man kannte sich offensichtlich auch, es fielen Worte wie: „Ach sieh an, ihr beiden wieder“ Es kam wie es musste, es ging an die Personalien, nicht jedoch ohne vorher mit einem Exekutiveinsatz samt Blaulicht drohen zu müssen.
Hier geschah etwas, das ich bis heute nicht begreife.

Einer der beiden zückte mit großer Geste seine Brieftasche, um den Personalausweis zu ziehen. Dabei sah man ein kleines bündel 20er Scheine blitzen. Was um Himmels willen, treibt einen Menschen an, trotz genügend Geld in der Tasche keinen Fahrschein zu kaufen? 2,50 nicht bezahlt und sicherlich Hundert davon in der Tasche – das ist mir unbegreiflich. Ist es Dummheit? Arroganz? Übermut? Wegen 2.50 so ein Theater?

Ich kanns ja noch halbwegs nachvollziehen, wenn einer sein Geld versoffen hat – obwohl, nicht einmal das. Wer schon dumm genug zu saufen ist und nicht in der Lage, die letzten 2.50 für die Heimfahrt zu bewahren, ist schlicht und ergreifend nur ein Dummkopf.

Den Worten die die Jungs den Kontrolleuren an den Kopf warfen möchte ich hier keinen Raum geben, aber diese waren ärmliches Zeugnis einer sehr niedrigen Lebenseinstellung – nicht gerade dienlich dem allgemeinem Ruf, den Menschen aus deren Landen – meistens völlig unberechtigt – leider ohnehin schon haben.
Am Ende mussten beide den Bus verlassen, nicht ohne lautes fremdsprachliches Gezeter und endlich – endlich hatte ich die Freiheit laut zu lachen – worauf einige im Publikum mit einstimmten.

Eine frische Brise frohen Mutes wehte durch den Bus, all die Taschen, die dampfende Luft – all das löste sich auf und gab für ein paar wenige Minuten Raum für Lachen und eine gewisse Gelöstheit.
Bis der Beat von Bluetooth Boomboxen – die manche anstatt Büchern in den Schultaschen mit sich rumschleppen – wieder übernahm, das Gekreisch wieder zum normalen Geräuschpegel wurde.
Bis nach Hause noch 2 Stationen und die schwarzen Schwarzfahrer schon vergessen.

Wer mich kennt, der weiß, das Schadenfreude nicht zu meinem genuinem Spaßverständnis gehört – im Gegenteil, ich verachte sie. Wer sich am Schmerz anderer amüsiert ist wahrlich nicht ein Menschenfreund.
Nichtsdestotrotz muss ich zugeben, das es Situationen gibt, in denen Schadenfreude nichts weniger als angebracht ist.
Vor allem wenn es Tölpeln gelingt sich durch eine Mischung aus Dummheit und Übermut, nicht selten Arroganz, Selbst dort zu Schaden zu kommen, wo es eigentlich den Anderen galt. Erst recht dann, wenn ein Dummkopf bewusst einen Fehler macht, erwischt wird und dafür noch jeden anwesenden beschimpft und um sich schlägt. Solche Menschenkinder, völlig unbenommen von Farbe, Aussehen oder Herkunft, haben nichts mehr als ein paar schadenfrohe Lacher verdient.
Tatsächlich ertappe ich mich dabei, immer öfter gut zu beobachten, wer denn der nächste Kandidat oder die Kandidatin für den titel dümmster Schwarzfahrer des Tages geeignet sein könnte.
Was mir nun nicht nur ein gutes Maß an Übung meines Deduktionsvermögens ermöglicht, noch dazu macht es einfach mehr Spaß, als stumpfsinnig das Ende der Busfahrt herbeizuwünschen.
Also werde ich auch hinkünftig jedem Schwarzfahrer und dessen weiblichen Pendants insgeheim danken, ein wenig Zucker in das ansonsten recht salzige Vergnügen einer Busfahrt gemischt zu haben.