In der neuen Episode des Podcasts „Der Schalltrichter“ widmet sich Thomas Speck der gefährlichen Macht der Desinformation und ihrer Auswirkungen auf die Gesellschaft und wie das von Rechten Subjekten, wie der Nazi AfD, der Möchtegern FPÖ oder den Identitären, benutzt wird, um ihre Position zu festigen. Mit scharfsinnigem Humor und tiefer Einsicht beleuchtet er, wie Populisten und Verschwörungstheoretiker die Wahrheit verdrehen und die Menschen in die Irre führen.
Heutzutage sind Fakten zur Verhandlungsmasse geworden – die Scharlatane sind die neuen Könige. Willkommen im 21. Jahrhundert, wo Meinung über alles geht – sogar über die Naturgesetze. Der deutsche Virologe Christian Drosten hat’s auf den Punkt gebracht: Naturwissenschaftliche Phänomene sind keine Frage der Meinung. Fakten sind nicht relativ.
Doch das hat die Populisten und Verschwörungstheoretiker dieser Welt noch nie gestört. Sie leben von der Desinformation wie Vampire vom Blut.
Ein Büro in einer zwielichtigen Ecke des Internets. Die Tapeten blättern ab, der Teppich ist mit Flecken übersät, und der muffige Geruch nach abgestandenem Rauch hängt in der Luft. Hier sitzt Günther „Günni“ Kohlhaase, ein kleiner Funktionär einer Partei der rechten Ecke. Sein schlecht sitzender Anzug hat die besten Zeiten hinter sich, der Kragen ist ausgefranst, und der Schweißgeruch hat sich in den Stoff gefressen. Seine unrasierten Wangen und das schmierige Haar komplettieren das Bild eines Mannes, der in moralischem und hygienischem Verfall lebt.
Günni reibt sich die Hände vor Freude, während er auf seinen Monitor starrt. „Was machen wir denn heute? Bill Gates will uns alle Chippen? Hm, das hatten wir schon. Ah, die Impfungen sind Gift und jeder der sich impfen lässt, wird in 5 Jahren sterben. Dazu noch: 5G verbreitet das Virus! Perfekt, das wird die Klicks in die Höhe treiben.“ Seine Augen glitzern gierig, während er auf „Senden“ klickt und eine neue Welle von Fakenews in die Welt setzt. Für ihn ist das Verbreiten von Lügen ein lukratives Geschäft, eine Möglichkeit, Macht und Einfluss zu sichern, während er seine eigene schmierige Minderwertigkeit überspielt.
Die Menschen, die auf seine Falschinformationen hereinfallen, könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch eint sie eine tiefe Unzufriedenheit. Es sind die Abgehängten, die in der Gesellschaft keinen Platz finden. Ihre Leben sind geprägt von Unzufriedenheit wegen niedrigem Lohn oder schlechter Gesundheit, ständiger Unsicherheit und einem allgegenwärtigen Gefühl der Bedeutungslosigkeit. Sie hassen alles und jeden, der über ihnen steht, sei es die Regierung, die Medien oder die Wissenschaft. In ihrer Verbitterung suchen sie nach einfachen Antworten auf komplexe Probleme.
Da ist Peter, der Fabrikarbeiter, der jeden Tag am Fließband steht und nach acht Stunden Arbeit nach Hause kommt, nur um festzustellen, dass das Geld hinten und vorne nicht reicht. Der Neid auf jene, die mehr haben, frisst ihn auf. Er ist misstrauisch gegenüber allem, was er nicht versteht, und sein Hass auf das Establishment ist grenzenlos.
Dann gibt es Hannelore, die ehemalige Verkäuferin, die ihren Job verloren hat, weil sie die Kunden wie lästige Fliegen behandelt hat und ständig im Krankenstand gewesen ist, und jetzt von Sozialhilfe lebt. Ihre Frustration über das System und ihre eigene Machtlosigkeit treiben sie in die Arme von Verschwörungstheorien. Sie glaubt daran, weil es ihr das Gefühl gibt, etwas zu wissen, was andere nicht wissen. Es gibt ihr eine Art von Kontrolle zurück, die ihr von den Anderen genommen wurde.
Diese Menschen folgen den Falschinformationen nicht, weil sie dumm sind, sondern weil sie verzweifelt nach einem Sinn suchen, nach einem Feind, den sie für ihr Elend verantwortlich machen können. Sie hinterfragen aber nicht ihr eigenes Tun, die eigene Verantwortung, das wäre viel zu anstrengend.
Günni Kohlhaase bietet ihnen genau das: einen klaren Schuldigen und einfache Lösungen. Und so werden sie zu seinen ergebenen Anhängern, immer bereit, die nächste Lüge zu glauben, weil sie hoffen, dass es irgendwann besser wird. Doch in Wirklichkeit werden sie nur tiefer in den Sumpf der Ignoranz und des Hasses gezogen, während Günni und seinesgleichen über ihre Naivität lachen und weiterhin auf ihren Kosten profitieren.
Die Meinungen dieser fehlgeleiteten Menschen prallen auf die Überzeugungen jener, die den Fakten glauben. Deren Schwurbelei prallt wie eine Abrissbirne auf die fragile Wand der Vernunft. Die Kluft zwischen beiden Gruppen wird immer tiefer, befeuert durch die ständigen Falschformationen und populistischen Sprüche von Leuten wie Günther „Günni“ Kohlhaase. Was einst ein zivilisierter Diskurs war, verwandelt sich in ein Schlachtfeld der Meinungen, auf dem die Wahrheit den Kürzeren zieht.
Der Arbeitsplatz, einst eine Stätte der Zusammenarbeit, wird zum Kriegsschauplatz. Peter, der Fabrikarbeiter, trägt jetzt stolz sein Misstrauen zur Schau. „Diese verdammten Impfungen, die bringen uns doch nur um!“ schnaubt er, während er sich mit seinem Kollegen Karl unterhält, der an die Wissenschaft glaubt. Karl versucht zu widersprechen, zu erklären, dass die Impfungen Leben retten, dass 5G nichts mit dem Virus zu tun hat. Doch seine Worte verhallen ungehört. „Du bist doch nur ein indoktoiniertes Schaf, das alles glaubt, was die da oben sagen,“ zischt Peter zurück. Die Atmosphäre ist vergiftet, die Spannungen allgegenwärtig.
In den sozialen Medien eskaliert die Situation noch mehr. Hannelore, die ehemalige Verkäuferin, teilt täglich neue Verschwörungstheorien. Ihre ehemalige Kollegin Claudia, die noch immer als Verkäuferin arbeitet und den wissenschaftlichen Konsens unterstützt, versucht vergeblich, mit Fakten zu kontern. Die Diskussionen werden hitziger, die Beleidigungen schärfer. Es gibt keinen Dialog mehr, nur noch Monologe, die aneinander vorbeigehen.
Die Gesellschaft, die immer darauf gebaut war, dass viele für wenige arbeiten, beginnt unter dieser Spaltung zu ächzen. Das Gleichgewicht verschiebt sich immer mehr auf die Seite der Unzufriedenen, die ihre Wut und ihren Frust in politische Unterstützung für populistische Bewegungen kanalisieren. Diejenigen, die an Fakten glauben, finden sich zunehmend isoliert wieder, von einer lauten Minderheit übertönt.
Und so geht es weiter, bis der Wahlkampf seinen Höhepunkt erreicht. Der Marktplatz ist überfüllt mit Wahlplakaten. Die Slogans der rechten Parteien sind simpel und reißerisch: „Deine Meinung. Dein Recht.“ Die Botschaft ist klar: Jeder Zweifel, jede unbegründete Angst wird hier als legitime Meinung verkauft. Günni Kohlhaase steht auf der Bühne, in einem brandneuem und sündteuren Maßanzug, frisch gekämmt und rasiert und seine Worte scharf wie ein Messer. „Lasst euch nicht von der Wissenschaft einschüchtern! Eure Meinung ist genauso viel wert wie jeder Fakt!“ ruft er in die Menge, und der Applaus ist ohrenbetäubend.
In einer Ecke des Marktplatzes stehen Karl und Claudia, fassungslos angesichts der Resonanz, die die Lügen finden. „Wie können sie das nur glauben?“ murmelt Claudia, während Karl den Kopf schüttelt. „Es ist nicht, dass sie es glauben wollen,“ antwortet er. „Sie brauchen einfach jemanden, der ihnen sagt, dass ihre Probleme jemand anderes Schuld sind.“
Da Corona heute nicht mehr als Verschwörung dienen kann, suchen die Populisten und Desinformationsprofiteure nach neuen Aufwiegeleien. „Günni“ Kohlhaase hat sich ein neues glänzendes Büro geleistet und sein Repertoire erweitert und treibt jetzt neue Ängste voran, um die dumme Masse zu kontrollieren.
„Der Klimawandel ist eine Lüge der Eliten, um uns zu kontrollieren!“ dröhnt seine Stimme durch die Kanäle der sozialen Medien.
„Sie wollen uns unsere Freiheit nehmen, uns vorschreiben, wie wir zu leben haben!
„Die finanzielle Grundversorgung für arme Menschen bricht dem Staat das Genick“ schreibt er – wohl wissend wie falsch das alles ist. Aber es klappt, denn die Menge frisst ihm wie dressiertes Vieh aus der Hand.
Die Menschen, die schon seine Schwurbeleien über Corona glaubten und sich sogar Pferdemedizin auf sein Geheiß intravenös gaben, sind sofort mit dabei. Sie marschieren in Massen gegen die „Klimadiktatur“, protestieren gegen erneuerbare Energien und fordern ein Ende der Umweltauflagen. Sie hetzen gegen Behinderten Integration in Schulen, gegen die Armen ihrer eigenen Schicht und gegen Ausländer.
Die Städte sind erfüllt von ihren Rufen, ihre Plakate tragen Slogans wie „Unsere Freiheit, unser Recht!“ und „Stoppt die grüne Lüge!“ „Gebt den faulem Pack kein Geld“
Dass die Rechte Ecke stets auch Ausländer als Thema hat, ist altbekannt; dieses Thema geht ja immer, wenn man jemandem Anderem Schuld zuweisen möchte, deshalb wird es hier nicht näher betrachtet.
In dieser neuen Gesellschaft sind die Unzufriedenen die lautesten Stimmen. Ihre Wut und ihr Frust haben sie zu einer Macht gemacht, die nicht mehr ignoriert werden kann. Der öffentliche Diskurs ist vergiftet, jede Debatte eine Schlacht. Die Medienlandschaft ist fragmentiert und jeder konsumiert nur noch die Nachrichten, die seine eigene Weltsicht bestätigen.
Die Wissenschaftler, einst die Hüter der Wahrheit, werden zu Geächteten. Ihre Warnungen verhallen ungehört, ihre Forschung wird als Teil einer großen Verschwörung abgetan. „Die Wissenschaftler lügen uns an! Sie wollen uns versklaven!“ schreien die Massen, angeführt von den neuen Propheten der Desinformation.
In den Schulen wird der Kampf um die Wahrheit weitergeführt. Lehrer versuchen verzweifelt, Fakten zu vermitteln, doch sie stehen einem Widerstand gegenüber, der von den Eltern und der Gesellschaft genährt wird. „Wir wollen nicht, dass unsere Kinder mit diesen Lügen indoktriniert werden!“ fordern die Eltern, die fest an die neuen Wahrheiten glauben.
Die Regierung, einst eine Bastion der Stabilität, schwankt unter dem Druck. Populistische Politiker, die auf der Welle der Desinformation an die Macht gelangt sind, fördern weiter die Spaltung. Sie schaffen Gesetze, die auf den Lügen basieren, und unterdrücken jede Form von Widerspruch.
Die Wahlen kommen und gehen, und die Spaltung wird tiefer. Günni und seine Anhänger feiern ihren Sieg, während die Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet. Die Vernunft hat eine schwere Schlacht verloren, doch der Krieg um die Wahrheit tobt weiter. Und inmitten dieses Chaos bleibt nur eine Erkenntnis: In einer Welt, in der Fakten verhandelbar sind, ist nichts mehr sicher.
Die Gesellschaft, die aus dieser Spaltung hervorgeht, ist ein düsteres Spiegelbild ihrer früheren Selbst. Der Virus der Desinformation hat tiefe Wunden hinterlassen, die sich nicht so leicht heilen lassen. Diejenigen, die einst an Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse glaubten, haben sich in kleine Enklaven zurückgezogen, isoliert und umgeben von einer schier endlosen Flut von Lügen und Halbwahrheiten.
Der Alltag der Menschen ist geprägt von Misstrauen und Paranoia. Jeder ist verdächtig, jeder könnte Teil der großen Verschwörung sein. Nachbarn misstrauen einander, Familien sind gespalten, und die Freundschaften zerbrechen unter dem Druck der unterschiedlichen Weltanschauungen.
Die Wirtschaft leidet ebenfalls. Unternehmen kämpfen mit den ständigen Protesten und den unvorhersehbaren Gesetzesänderungen. Die Arbeitslosigkeit steigt, die Armut breitet sich weiter aus. Die Unzufriedenheit wächst immer mehr, und die Spirale der gefakten News dreht sich immer schneller.
In dieser neuen Welt gibt es nur wenige Lichtblicke. Kleine Gruppen von Menschen, die sich der Wahrheit verschrieben haben, kämpfen weiter. Sie organisieren sich im Untergrund, verbreiten Fakten und versuchen, die Flamme der Vernunft am Leben zu erhalten. Doch ihre Aufgabe ist gewaltig, und die Kräfte, die gegen sie arbeiten, sind stark.
Die Gesellschaft ist ein gefährlicher Ort geworden. Eine Welt, in der Fakten und Meinungen gleichwertig sind, in der die Wahrheit nur eine Option unter vielen ist. Eine Welt, in der die Lügen herrschen und die Vernunft im Verborgenen überlebt, immer auf der Suche nach einer Chance, zurückzukehren.
In dieser grauenhaften Welt herrscht eine bittere Ironie, die jeden Atemzug durchdringt. Die einstigen Populisten und Verschwörungstheoretiker haben die Macht ergriffen, und ihre Anhänger jubeln ihnen zu, während sie in die Knechtschaft geführt werden. Nahrung ist knapp, medizinische Versorgung eine Rarität. Die Krankenhäuser sind verwaist, die Apotheken leer, und die Straßen sind von Verzweiflung erfüllt. Aber, zumindest haben sie jetzt die Freiheit, hinter ihren Mauern und Grenzzäunen an ihren Lügen zu ersticken.
Die neuen Machthaber, die selbsternannten Retter des Volkes, unterdrücken dieses mit eiserner Hand und errichten immer neue ebenjener Mauern aus Misstrauen und Lügen. Der Alltag wird zum Überlebenskampf, während die Mächtigen in ihrem Wohlstand schwelgen und die Peitsche schwingen. Doch die Menschen, die ihnen einst folgten, lieben ihre Unterdrücker mit einer fast religiösen Inbrunst. Schließlich gibt es nichts Beruhigenderes, als in einem Käfig zu sitzen, wenn man glaubt, die Stäbe wären zum eigenen Schutz da.
In dieser dystopischen Gesellschaft ist das größte Paradox, dass die Opfer ihren Henker verehren und sich selbst als die Erwachten betrachten, während die letzten Funken der Menschlichkeit im Schatten verblassen. Die Luft ist schwer von Zynismus, und der Abgrund, in den die Menschheit blickt, ist nur noch ein Spiegel ihrer eigenen Verblendung.
Der Vormarsch der Rechten begann mit den Corona-Maßnahmen. Den Virus konnten wir besiegen – aber er hat die Menschheit mit einer weitaus schlimmeren Krankheit angesteckt: der Seuche des kollektiven Wahnsinns, wo die Wahrheit im Morast der Ignoranz ertrinkt und die Vernunft zur ewigen Gefangenen der Dummheit wird. Willkommen in der neuen Ära der relativen Wahrheiten, wo Ignoranz als Tugend gefeiert wird und die Vernunft in Ketten liegt – eine triumphale Tragödie der modernen Zeit.
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