Willkommen in der Welt des Kaffees, in der braune Bohnen den Taktstock schwingen und Kaffeetrinker sich wie Hohepriester um ihren Tempel aus Marmor und poliertem Chrom scharen. Die moderne Kaffeekultur – was für ein episches Theaterstück der Eitelkeiten! Man könnte meinen, eine Tasse Kaffee sei der heilige Gral, und jeder, der keine dreiteilige Abhandlung über die aromatischen Feinheiten seines Lieblingsgebräus verfassen kann, sei ein Banause.

Fangen wir bei den Hipster-Cafés an, diesen Altären der Selbstverliebtheit, wo der Barista, verzeiht, der „Kaffee-Künstler“ – seine Kunst besteht darin, ein Herzchen in den Milchschaum zu zaubern und dabei so dreinzublicken, als habe er gerade die Relativitätstheorie widerlegt. Dort, wo das WLAN-Passwort nur an jene vergeben wird, die mindestens drei Bio-Fair-Trade-Sojamilch-Flat-Whites bestellt haben. Oh, und Gott bewahre, du bestellst einen einfachen Filterkaffee – da könntest du genauso gut in einer Moschee nach Schweinefleisch fragen.

Dann haben wir die Coffee-to-go-Kultur, eine großartige Erfindung für all jene, die so beschäftigt sind, dass sie nicht mal die Zeit finden, sich fünf Minuten hinzusetzen. Diese Menschen hetzen durch die Straßen, als ob ihre Kaffeebecher geheime Regierungsdokumente enthielten, statt einer lauwarmen Plörre für 4,50 Euro. Es ist das perfekte Symbol unserer rastlosen, immer erreichbaren Gesellschaft: keine Zeit für Genuss, aber immer Zeit für den nächsten Adrenalinkick.

Die Krönung der Absurdität jedoch sind die unzähligen Variationen und Zusätze. Ein einfacher Espresso reicht längst nicht mehr. Nein, es muss ein doppelt gefilterter, drei Mal gemahlener Single-Origin-Ristretto aus der südlichen Hanglage eines kolumbianischen Vulkans sein. Am besten noch mit einem Hauch von handgeklöppelter Hafermilch und einem Schuss Lavendelsirup, weil, warum eigentlich nicht? Der durchschnittliche Kaffeeenthusiast kann heute mehr über die Anbaugebiete und Röstverfahren erzählen als über die eigene Familiengeschichte. Prioritäten, meine Damen und Herren!

Lassen wir uns nicht von denjenigen täuschen, die behaupten, sie würden Kaffee wegen des Geschmacks trinken. Nein, Kaffee ist das flüssige Statussymbol der Neuzeit. Wer keinen Instagram-Post mit #CoffeeLover und einem perfekt inszenierten Flat White vorzuweisen hat, existiert quasi nicht in der sozialen Hierarchie des urbanen Dschungels. Es geht nicht mehr um die schlichte Freude an einem guten Getränk, sondern um die Zugehörigkeit zu einer elitären Kaste von koffeinhaltigen Kennern.

Und während die Welt vor dem nächsten Kaffeetrend erzittert, bleibe ich hier mit meinem ordinären Filterkaffee, heiß und schwarz wie die Nacht, und lache über den Zirkus, der sich um diese braune Brühe rankt. Möge der Kaffeegott euch allen gnädig sein.