Dieses „Ja gut, geht schon“ ist, was ich als dumme Antwort bezeichnen möchte und der These, dass es eben keine dummen Fragen gäbe, als Beweis genügt. Aber Fakt ist, dass wir noch immer von ein und derselben Frage ausgehen: „Wie geht es dir?“ Einmal ist sie also dumm und einmal ist sie das nicht. Und das ist, wie nun unwiderlegbar bewiesen, abhängig von der Intention des Fragenden.

Es gab in meiner Siedlung zwei ältere Damen, sehr nett beide, ich mag sie gut leiden. Sie wohnen seit über 40 Jahren Tür an Tür hier, und beide sind Witwen. Treffen sie sich an der Bushaltestelle oder beim Einkaufen, beginnt das Gespräch immer gleich: „Ja, schau her, die Rosa, lang nimmer getroffen, gell? Wie geht’s dir denn? Ich komm ja grade vom Doktor, stell dir vor, was da heute wieder alles los war.“ Der Rest geht unter, sich gegenseitig darin zu übertrumpfen, wer die größeren Schmerzen und das schlimmere Leiden hat, die schwereren Medikamente nehmen muss und die nervigere Wartezeit beim Doktor hatte. Das mündet in einen Vergleich, wer von den beiden wohl früher in die Grube fährt, nur um die andere auch da ein wenig zu übertrumpfen.

Wieso fragt man, wenn man es gar nicht wissen will? Oder, warum antwortet man, wenn man’s gar nicht sagen will? Weshalb sagt man nicht: „Ich mag nicht drüber reden?“ Fragen, die Fragen fragen – das Thema dumme Fragen scheint nur Fragen zu liefern, aber wenig Antworten.
Dieses „Wie geht es dir?“ ist ein echtes Universalgenie der Konversationseinleitung – obwohl es meistens nur eine leere Worthülse ist, die zwar wohlklingend, nur selten echte Bedeutung hat. Eine Floskel eben.

Wo es ein Genie zur Eröffnung gibt, muss es auch eine Frage geben, die Konversationen beenden kann. Universell einsetzbar soll sie sein und deshalb für alle Absichten als Ausdruck oder Auslöser geeignet. So etwas gibt es. Es ist nur ein Wort, wogegen das „Wie geht es dir?“ deren vier benötigt. Es ist dem „Wie geht es dir?“ auch haushoch überlegen, weil man es von liebevoll bis boshaft einsetzen kann. Frei nach Rene Borbonus: Wenn du jemanden emotional voll in die Wand fahren möchtest und in kürzester Zeit zur Verzweiflung bringen willst, musst du nur ganz oft folgende Frage stellen:

Warum?

Neben der Königin „Wie geht es Dir“ ist das “Warum” das fieseste und gleichzeitig prachtvollste Exemplar einer möglicherweise dummen Frage. Der Hofnarr der Königin, wenn man so möchte. Eine wahre Waffe der Konversation, ein Meisterwerk der Subtilität.

Stell dir vor, du kommst nach Hause und freust dich, dass du den Einkauf gut erledigen konntest. Du begrüßt deinen Partner und sagst: „Sieh mal, ich habe gleich auch den Einkauf erledigt.“ Und dein Partner (oder Partnerin) dreht sich langsam um, sieht dich nur an und fragt: „Warum hast du nicht auch gleich den Müll mitgenommen?“

Spürst du es?
Dieses Ziehen in deinem Nacken, das brennend flaue Gefühl in deiner Magengegend? Du weißt, dass es jetzt vollkommen egal ist, was du sagen kannst – der/die will nicht im Geringsten wissen, warum du den Müll nicht mitgenommen hast. Der/die will dir eine reinwürgen – aber so richtig.
Dass du den Müll vergessen hast, ist vollkommen offensichtlich.

Und das wird auch das Thema deiner Strafrede sein, die du dir anhören kannst. Das “Warum” wird hier nur dazu benutzt, dich klein zu machen, deine Deckung einzureißen. Es ist nicht wichtig, dass du dich ohnehin schon schämst und es dir peinlich ist, dass du das vergessen hast – nein – man möchte auch noch gerne drauf herumtrampeln.
Und damit der verbale Dolch so richtig fein zwischen deine Rippen fährt, wird das “Warum” vorangeschickt.