Diesmal setzt sich Thomas Speck mit seinem „Der Schalltrichter“ kritisch mit dem viel diskutierten Thema der Meinungsfreiheit auseinander.
Mit gewohnt scharfsinniger Analyse und tiefgründigen Reflexionen beleuchtet er die komplexe Natur dieses Grundrechts und die Herausforderungen, die es in der modernen Gesellschaft mit sich bringt.

Meinungsfreiheit, dieser erhabene, fast mythische Begriff, der in der heutigen Zeit so oft durch die Mühlen der öffentlichen Diskussion gedreht wird, dass man sich fragen muss, ob er überhaupt noch etwas von seiner ursprünglichen Bedeutung behalten hat. Es ist ein wenig wie mit dem sagenumwobenen Einhorn: Alle reden darüber, aber niemand hat es je in seiner wahren Form gesehen. Die Meinungsfreiheit, in ihrer reinsten Essenz, erlaubt es dem Individuum, seine Gedanken und Ansichten frei zu äußern, ohne Furcht vor Verfolgung oder Zensur. Ein nobles Konzept, nicht wahr? Doch wie bei allem, was edel und rein ist, findet die Menschheit Wege, es bis zur Unkenntlichkeit zu verunstalten.

Missverstanden wird die Meinungsfreiheit vor allem dadurch, dass sie häufig als Freibrief für jegliche Art von Äußerung missbraucht wird, unabhängig davon, wie beleidigend, verletzend oder schlichtweg falsch diese sein mag. Als hätte man den Leuten ein feines chirurgisches Werkzeug in die Hand gegeben, nur damit sie es benutzen, um ihre Steaks zu schneiden. Da prahlt der eine mit seinem vermeintlichen Recht, alles sagen zu dürfen, was ihm in den Sinn kommt, während der andere sich darüber beschwert, dass seine „Meinungsfreiheit“ beschnitten wird, sobald er für die Konsequenzen seiner Worte zur Rechenschaft gezogen wird.

Wie ich neoft und ganz öffentlich beobachte, wird der Begriff oft als magischer Schild verwendet, hinter dem sich die rüpelhaftesten Gesellen verstecken, während sie ihren verbalen Müll über die Unschuldigen ausschütten. Sie schreien „Meinungsfreiheit!“ und glauben, dass dies ihnen die Lizenz gibt, sich wie der letzte Barbar aufzuführen. Es ist ein bisschen so, als würde man einem Kind ein Streichholz geben und ihm dann nicht erklären, dass man damit nicht das ganze Haus anzünden sollte.

Furchtbar sind die, die in jeder Kritik an ihren Ansichten einen Angriff auf ihre Meinungsfreiheit sehen. Ein Phänomen, das ich mir nur so erklären kann, dass in ihren Köpfen die Meinungsfreiheit eine Einbahnstraße ist, auf der nur ihre eigenen Gedanken freie Fahrt haben. Eine Strategie, die zwar kurzfristig faszinierend ist, aber wahrscheinlich in der nächsten Diskussion mit einem lauten Knall endet.
„Meinungsfreiheit“, schallt es allenorten, „heißt, dass ich alles sagen darf!“ – das ist ein Trugschluss, so naiv wie der Glaube, dass die Erde flach sei.

In der Realität ist Meinungsfreiheit ein komplexes Instrument, das sowohl zum Ausdruck der edelsten Gedanken als auch zur Verbreitung der abscheulichsten Ideen genutzt werden kann. Sie verlangt nach Verantwortung, einem Konzept, das so manchem Zeitgenossen fremd zu sein scheint. Ja, Sie haben das Recht, Ihre Meinung zu äußern, aber Sie haben auch die Pflicht, die Konsequenzen zu tragen. Mit großer Kraft (oder in diesem Fall Freiheit) kommt große Verantwortung, frei nach Spiderman. Eine Lektion, die, so scheint es, in der heutigen Zeit allzu oft in Vergessenheit gerät.

In unserem aktuellen gesellschaftlichen Kontext, einem verworrenen Netz aus sozialen Medien, öffentlichem Diskurs und politischer Korrektheit, wird Meinungsfreiheit häufig missverstanden als Freibrief für Hassreden, Diskriminierung oder schlichtweg Dummheit. „Ich habe doch nur meine Meinung gesagt“, tönt es dann, als wäre dies ein Schutz gegen jegliche Kritik oder Konsequenz. Ein charmantes Missverständnis, nicht wahr?

Wir leben alle in einer Gesellschaft, die zunehmend polarisiert und empfindlich auf Abweichungen von der Norm reagiert und deshalb wird Meinungsfreiheit zu einem heißen Eisen. Sie zu wahren, ohne dabei das gesellschaftliche Klima weiter zu vergiften, ist eine Herausforderung, die uns allen Scharfsinn, Weitsicht und ein dickes Fell abverlangt. Die Meinungsfreiheit ist nicht für die Schwachen oder die Unbedachten. Sie ist ein Privileg, das Weisheit erfordert.

Wir leben glücklicherweise in einem Land, in dem das Recht auf freie Meinungsäußerung herrscht und niemand wegen seiner Meinung verfolgt werden darf. Und doch oder gerade deswegen, so scheint es, ist es das Land der Dampfplauderer.
Auch wenn jeder ein Recht auf seine Meinung hat, folgt daraus nicht, dass Du auch das Recht hast, diese Meinung überall kund zu tun.
Es ist keine Einschränkung Deines Rechts auf freie Meinungsäußerung, wenn in einem Blog oder Internetforum deine Kommentare gelöscht werden. Wenn Ich zum Beispiel hier jemanden – aus welchen Gründen auch immer – rauswerfe oder Kommentare lösche, dann mag das höchstens unangenehm für Dich sein.
Mit “Meinungsfreiheit” hat das aber nichts zu tun. Denn Dein Recht auf freie Meinung beinhaltet nicht, das ich mir deine Rede auch anhören oder durchlesen muss. Somit ist “Meinungsfreiheit” nicht gleichbedeutend mit “Jeder muss hören was und wo ich will“.

Die virtuellen Grenzen deiner Meinungsfreiheit werden dort gezogen, wo Moderatoren von Foren und Blogs die mühsame Aufgabe übernehmen, die digitale Hygiene aufrechtzuerhalten, indem sie deine Kommentare in das schwarze Loch des Löschtastenklos hinunterspülen. Ein Akt der Zensur? Keineswegs! Eher ein notwendiger Schritt zur Wahrung eines halbwegs zivilisierten Diskurses. Dein Recht auf Meinung endet nämlich dort, wo die Geduld anderer anfängt, strapaziert zu werden.

Was also ist Meinungsfreiheit wirklich? Sie ist die Freiheit, zu denken, was du willst, und deine Gedanken innerhalb der gesetzlichen Grenzen und des Anstands zu äußern. Alles andere ist eine Gratwanderung zwischen dem Recht auf Ausdruck und der Notwendigkeit, nicht jeden Raum mit unerwünschten Meinungen zu fluten.

Mein Nachbar darf sich von mir denken, was er möchte.
Innerhalb seiner Kreise, seiner Familie darf er das auch laut aussprechen – es ist seine freie Meinung und er muss mich nicht mögen. Nicht einmal ich – der ich Gegenstand seiner Meinung bin – kann ihm das nehmen. Wie gesagt, denken darf er sich, was er will.
Solang er mir diese Meinung nicht sagt oder damit versucht, Andere von seiner Meinung über mich zu überzeugen, gibt es keinen Austausch. Und damit auch keine Diskussion und auch keinerlei mögliche Konflikte. Alles bleibt hervorragend langweilig und friedlich.
Freie Meinungsäußerung ist demnach das laute Aussprechen einer freien Meinung. Das Recht auf freie Meinungsäußerung bedeutet erstmal sehr wohl, das man grundsätzlich alles sagen kann und darf, was man will. Und das man von staatlichen Stellen dafür nicht verfolgt werden darf. Dies ist ein Grundrecht und verfassungsrechtlich geschützt, solange man sich – wie gesagt – im Rahmen von Gesetz und Anstand bewegt!

Wenn der Nachbar sich entscheidet, in den Chor der Meinungen mit einer Arie gegen mich einzustimmen, falsch und beleidigend obendrein, dann ist es mein gutes Recht, ihn in die Schranken der Legalität zu weisen. Üble Nachrede ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Verstoß, der sich vor Gericht wiederfinden kann.

In meinen vier Wänden, dort, wo mein Wort Gesetz ist und das Hausrecht wirkt, da kann ich den unliebsamen Gast hinauskomplimentieren, sollte er es wagen, die Grenzen meiner Toleranz zu überschreiten. Dieses Prinzip findet seine digitale Entsprechung in der Macht der Moderatoren und Betreiber von Online-Plattformen. Sie sind die Wächter am Tor, die entscheiden, welche Meinungen Zutritt erhalten und welche draußen bleiben müssen.

Verwechsle nicht das Ausüben von Hausrecht mit der Unterdrückung deiner Meinungsfreiheit.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist kein grenzenloses Territorium. Es endet dort, wo das private Terrain beginnt – in Häusern, Geschäften, digitalen Räumen. Diese Orte sind kein Niemandsland, sondern stehen unter der Hoheit ihres Besitzers, der von seinem Hausrecht Gebrauch machen kann.

Wenn du also das nächste Mal verkündest, „ich darf sagen, was ich will“, bedenke, was dies über dich aussagt. Es zeigt, dass du dich in einer Festung der Sturheit verschanzt hast, unzugänglich für Argumente, blind für Fakten. Es zeugt von einer Weigerung, den Standpunkt zu diskutieren, sich auszutauschen, schlicht eine Weigerung, zu wachsen.

Was mich an dieser ganzen Farce stört, ist nicht das Recht selbst – oh nein, die Freiheit zu denken und zu sprechen ist das Fundament unserer Gesellschaft und dieses meines Podcasts. Was mich stört, ist die schamlose Ausnutzung dieses Rechts, die perverse Freude daran, es als Werkzeug zur Manipulation und zur Verbreitung von Halbwahrheiten zu missbrauchen. Ein zutiefst menschliches Theater, in dem die Meinungsfreiheit zur Marionette derjenigen wird, die glauben, ihre persönliche Sichtweise sei die einzig gültige, und die bereit sind, diese Sichtweise mit Zähnen und Klauen zu verteidigen – koste es, was es wolle.

Sie bemerken gar nicht, das sie oftmals nicht einmal ihre eigene, reflektierte „Meinung“ äußern, sondern nur wiederholen, was ihnen von ganz anderer stelle indoktriniert wurde.
Das sie wie eine Schafherde in einem gemeinsamen misstönigen Chor stumpfsinnig nach“blöken“ was ihre Hirten, samt deren Hunden, von ihnen erwarten.
Aber wieso?

Die finstere Kunst der Meinungsmanipulation, ein Schauspiel so alt wie die Zeit selbst, floriert auf dem fruchtbaren Boden der Angst.
Warum, fragst Du? Weil Angst das Primordialgefühl ist, das tief in unserem archaischen Gehirn verwurzelt liegt, bereit, bei der kleinsten Provokation hervorzuspringen. Und eine Angst wird dabei bestens bespielt: Angst vor Verlust – sei es der Verlust sozialer Sicherheiten, der öffentlichen Sicherheit, des Glaubens, des Lohns oder gar der Arbeitsstelle. Diese Ängste sind die Waffen der Wahl für jene, die im Schatten lauern, bereit, sie gegen die unwissende Masse zu richten.

Politische Marionettenspieler, gleich ob sie aus dem linken, rechten oder irgendeinem anderen Eck des Spektrums kommen, haben diese Technik meisterhaft verfeinert. Sie malen Bilder von einer Welt, die durch das Eindringen des Fremden, des Anderen, des Nicht-Vertrauten zerfressen wird. Eine Welt, in der uns das Wenige, das wir haben, entrissen wird. Und in dieser unbestimmten Angst, dieser Nebulosität des „Was wäre wenn“, finden sie ihren fruchtbarsten Boden. Selbst dann, wenn ein nüchterner Blick in die Realität etwas völlig anderes zeigen würde.

Warum aber funktioniert diese Strategie immer wieder? Weil sie direkt an unsere primitivsten Instinkte appelliert, an das urtümliche Bedürfnis, das Eigene, das Vertraute zu schützen. Sie spielt auf der Klaviatur unserer tiefsten Ängste eine Melodie, die so alt ist wie die Menschheit selbst. Und wir, die Herde, laufen blindlings hinterher, getrieben von der Illusion, in der Masse Sicherheit zu finden. Wir klammern uns an die einfachsten Erklärungen, die uns präsentiert werden, weil die Komplexität der Wahrheit zu überwältigend, zu ermüdend erscheint. Wir bevorzugen die leichten, einfachen Erklären und Lösungen Anderer, anstatt sich unseren eigenen Frust anzusehen und eigene lösungen zu finden.

Das Resultat? Eine Herde, die glaubt, frei zu sein in ihrer Meinung, sich aber in Wirklichkeit unreflektiert zum Werkzeug gewissenloser Machtspieler macht, deren einzige Ziele Macht und Reichtum sind. Diese politischen Alchemisten treten demokratische Ideale in den Staub unter ihren Füßen, während die Masse weiterhin glaubt, ihrer „eigenen“ Meinung zu folgen, nicht erkennend, dass diese Meinungen längst nicht mehr ihre eigenen sind, sondern vielmehr Echos einer perfiden Manipulation.
Und hier, liebe Hörer, liegt die eigentliche Tragödie: In der Ära der Information werden wir paradoxerweise nicht erleuchtet, sondern immer tiefer in die Dunkelheit geführt. Informationen, die uns „von oben“ erreichen, sind sorgfältig ausgewählt, um das Volksdenken in eine bestimmte Richtung zu lenken. Alles, was darüber hinausgeht, wird hinter verschlossenen Türen verhandelt, fernab von den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit. Warum, so fragt man sich, muss überhaupt etwas in einer Regierung im Verborgenen verhandelt werden, wenn nicht, um die Fäden der Manipulation straffer zu ziehen?

Teilt man das Volk in verschiedene Gruppen mit einander divergierenden Ansichten, dann ist Konflikt und Polarisation die Folge. Das hält die Menschen in den einzelnen, scharf umgrenzten Herden beschäftigt und macht sie leicht führbar. Die jeweiligen Hirten haben leichtes Spiel. Und wir Herdenmenschen übersehen, bei der Verteidigung unserer kleinen Gruppenfreiheiten sehr schnell, das wir das Kanonenfutter darstellen, während die Kriegstreiber in Wirtschaft und Parlament schalten und walten wie sie möchten.

Meinungsfreiheit ist ein kostbares Gut, ein Pfeiler der Demokratie und des gesellschaftlichen Diskurses. Wir müssen es nutzen, ja, wir müssen es verteidigen. Aber es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen dem unreflektierten Ausrülpsen von Frust und einer fundierten, sachlichen Äußerung.

Auch wenn du das Podest der Meinungsfreiheit besteigst und eine Stimme erhebst, in der digitalen Agora deine Ansichten schreiben, geschützt durch das heilige Mantra der freien Meinungsäußerung – halt inne!
Dieses Recht kleidet dich nicht in Teflon. Kritik prallt nicht einfach ab, und das Echo deiner Worte kann durchaus ein Sturm sein. Die Charta der Grundrechte Artikel 11 der Europäischen Union mag dir das Schild der Meinungsfreiheit gewähren, doch ist es durchlässig für die Pfeile der Gegenseitigkeit und des Gesetzes. Freie Meinung bedeutet also nicht, das Du nicht dafür kritisiert werden darfst

Die Essenz der freien Meinungsäußerung, soll doch eigentlich eine Brücke bauen – von Mensch zu Mensch, von Nachbar zu Nachbar. Ein Dialog, der, im Idealfall, Frieden stiftet, einen Konsens schmiedet oder wenigstens zu einem ehrenwerten Kompromiss führt. Doch wir leben nicht in einer idealen Welt. Manchmal, in den dunklen Momenten unserer Existenz, ist das Herausschreien unausgesprochener Wahrheiten ein unumgängliches Bedürfnis, ein wilder Schrei in die Stille unserer Frustration. Aber seien wir uns im Klaren: Ein solcher Ausbruch lädt unweigerlich ein zu Fragen, zu Widerspruch, zu Diskurs. Wenn dann deine einzige Verteidigung „Ja, weil, ist so“ lautet, entwirfst du ein Bild von dir, das alles andere als schmeichelhaft ist.

Wäre die Welt nicht ein besserer Ort, wenn jeder seine Meinung so äußern würde, wie er selbst über sich sprechen hören möchte? Der Diskurs um Hass im Netz wäre ein Relikt vergangener Tage, wenn wir alle die goldene Regel beherzigen würden: Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest.

Viele mutige Seelen haben gekämpft und gelitten, damit wir das Recht auf freie Meinung genießen können – ein Recht, das heute allzu oft missachtet wird. Nach Immanuel Kant endet unsere Freiheit dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Wenn deine Meinung andere diskriminiert, ihre Freiheit einschränkt oder sie in ihrer Person oder ihrem Besitz verletzt, dort endet dein Recht, deine „Freiheit“.
Es ist eine traurige Wahrheit, dass viele das Potential, das in einem respektvollen Dialog liegt, nicht erkennen oder zu schätzen wissen und sich selbst der Möglichkeit berauben, wirklich gehört zu werden.