In dieser Folge nimmt Thomas die schillernde Illusion namens Germanys Next Topmodel und seine eigentliche Botschaft auseinander. Diese „Lehrstunde in Darwinismus für die Generation Instagram“ zeigt, wie aus unschuldigen Mädchen angeblich Topmodels werden – doch unter der Glitzeroberfläche wütet der blanke Sozialdarwinismus in High Heels.
Stell dir eine Arena vor, nur dass die Gladiatoren Lippenstift statt Schwerter tragen.
Eine spezielle Bühne für ein Spiel, in dem Erfolg nicht von Können oder Wissen abhängt, sondern davon, wie gut du dich in die perfekte Form pressen lässt – formschön, makellos, und vor allem: austauschbar.
Willkommen bei Germany’s Next Topmodel, wo sich der Sozialdarwinismus in High Heels präsentiert und Heidi Klum die Rolle der unantastbaren Hohepriesterin übernimmt. Hier entscheidet sich jede Woche aufs Neue, wer bleibt und wer fällt. Doch im Gegensatz zur klassischen Vorstellung von „Survival of the Fittest“ überlebt hier nicht die Stärkste, sondern diejenige, die sich am willigsten ins Korsett des äußerlichen Scheins zwängt. Denn die Regeln des Überlebens sind hier klar: Anpassung bedeutet Selbstaufgabe, und Stärke ist nur dann erlaubt, wenn sie sich in makellose Oberflächlichkeit hüllt.
Unser eigentlicher Held hat einen schweren Stand – er ist der letzte Funken innerer Selbstachtung und Authentizität, das wahre innere Selbst. Der stille, aber zähe Krieger gegen das Dogma, dass Schönheit der einzige Wert ist, der zählt. Jede Challenge, jedes gequälte Lächeln vor der Jury, jedes perfekt inszenierte Shooting ist ein Schlag ins Gesicht dieses Antihelden der inneren Werte, der trotzig flüstert: „Du bist mehr als nur eine Fassade.“
Doch Heidi Klum weiß, wie sie diesen Rebellen erstickt. Subtil, fast mühelos stellt sie Woche für Woche die entscheidende Frage: „Bist du gut genug?“
Ohne es auszusprechen, erinnert sie jede Kandidatin daran, dass ihr Wert allein im Urteil anderer liegt. Dass Schwäche nicht nur unerwünscht, sondern ein absolutes Tabu ist. Mit jeder Episode werden die Mädchen in ein Schema gepresst, das Individualität gnadenlos niederwalzt und aus jedem echten Lächeln eine Fotopose macht.
Die Herausforderung, die unsere Selbstachtung zu bewältigen hat, könnte kaum größer sein. Denn wie widerstehst du einem System, das dir von allen Seiten einflüstert, dass dein Wert nur in deiner Oberfläche liegt? Ein System, das verlangt, dass du jede Schwäche, jede Emotion und jeden Funken echten Selbstwertes im glitzernden Scheinwerferlicht opferst?
Vielleicht ahnen wir bereits, was diese Show wirklich ist: ein Sozialexperiment, das sich wie Unterhaltung verkauft und uns in Wahrheit zeigt, wie schnell Selbstachtung zu einem Accessoire wird – im besten Fall.
Germany’s Next Topmodel ist nicht einfach nur eine Fernsehshow. Nein, es ist eine Institution. Eine Lehrstunde in Darwinismus für die Generation Instagram, eine Parabel auf den Erfolg im Zeitalter der Hochglanz-Kultur, verpackt als Reality-TV. Hier, in dieser von Heidi Klum inszenierten Seifenoper des äußeren Scheins, regiert das Gesetz des Stärkeren – oder besser gesagt: der Schlankeren. Willkommen in einer Welt, in der Schönheit, Ruhm und Anerkennung direkt proportional zu der Bereitschaft stehen, sich öffentlich erniedrigen zu lassen. Denn nichts verkauft sich besser als eine gescheiterte Existenz, die in High Heels über ihre Träume stolpert.
Und das ganze Spektakel wird meisterhaft orchestriert von Heidi Klum. Heidi ist kein Rädchen im System – sie dreht an den Hebeln, die dieses System zu einer so perfekten Maschine der Oberflächlichkeit machen. Sie thront über der Szenerie wie eine moderne Königin der Nichtigkeit, die ihre Kandidatinnen durch die Hölle der Selbsterniedrigung jagt, während sie gleichzeitig den heuchlerischen Mantel der „Empowerment“-Rhetorik über die Szenerie breitet.
Heidi Klum, ist die wahre die Königin dieses bizarren Hofstaats. Heidi, die sich mit ihren überheblichen Kommentaren und herablassenden Blicken über das Schicksal der Kandidatinnen erhebt, als wäre sie eine moderne Caesar im Kolosseum des schlechten Geschmacks. „Ich habe heute leider kein Foto für dich“ – eine Phrase, die inzwischen Kultstatus erreicht hat, und zwar nicht wegen ihres tiefgründigen Inhalts, sondern wegen ihrer eiskalten Brutalität. Es ist der Moment, in dem Träume zerplatzen und Tränen fließen, und Heidi thront darüber wie eine emotionslose Göttin der Oberflächlichkeit.
In GNTM sind die Challenges nicht bloß lächerliche Mutproben, sie sind der Zirkus, in dem sich die Kandidatinnen zum Gespött machen müssen, um eine Chance auf den Thron zu haben. Jede Woche ein neues „Duell der Seelenlosigkeit“: Posen an einem Helikopter in schwindelerregender Höhe, Shooting mit giftigen Tieren, und dann natürlich der legendäre „Walk“ – der Stolperpfad zur angeblichen Selbstverwirklichung.
Was die Zuschauer jedoch nicht sehen – oder vielleicht nicht sehen wollen – ist, dass diese Challenges mehr sind als bloßes Entertainment. Sie sind das Symbol für das toxische Prinzip, das GNTM als Spiegel unserer Gesellschaft aufzeigt: Leistung durch Leid.
Kein Ruhm ohne Tränen. Keine Karriere ohne Schmerz. Es ist der Pranger des 21. Jahrhunderts, bei dem statt der Dorfgemeinschaft nun die ganze Nation zuschaut, wie junge Frauen öffentlich gedemütigt werden. Aber natürlich immer mit einem Lächeln im Gesicht. Denn eines ist klar: Ein Model darf keine Schwächen zeigen. Und genau das ist es, was die Jury Woche für Woche predigt.
Jury – wenn man diesen Zirkus der Selbstüberschätzung überhaupt so nennen kann. Da hätten wir Thomas Hayo, dessen größte Leistung darin besteht, die englische Sprache so sehr zu vergewaltigen, dass sie vor lauter „Fierceness“ um Gnade winselt. Seine Kommentare klingen wie der feuchte Traum eines Möchtegern-Kreativdirektors, der den Anschluss an die Modewelt längst verloren hat, aber trotzdem noch glaubt, dass er mit seinen leeren Worthülsen irgendetwas Substantielles beitragen könnte.
„Das war einfach nicht edgy genug“, sagt er mit todernstem Gesichtsausdruck, als würde er gerade über die nächste Revolution in der Modewelt urteilen, während er in Wahrheit nur ein weiteres Opfer des globalen Anglizismen-Hypes ist. In einem anderen Setting wäre er der Typ, der in hippen Berliner Cafés veganen Latte schlürft und über „mindful living“ schwadroniert.
Und dann Michael Michalsky, das modische Relikt, an dessen Beispiel man die Vergänglichkeit – um nicht zu sagen: Belanglosigkeit – des Modebusiness erleben kann.
Seine Bedeutungslosigkeit in der echten Modewelt macht ihm scheinbar so zu schaffen, dass er sich an den jugendlichen Hoffnungen der Kandidatinnen abarbeitet.
Seine größte kreative Leistung? Wahrscheinlich der Versuch, sich relevant zu fühlen, indem er Teenager für ihren „zu basic“ Look abkanzelt. Ja, Michael, danke für diese tiefschürfende Analyse. Man spürt förmlich, wie die Modewelt nach deiner Weisheit lechzt. Nicht.
Doch diese beiden Hampelmänner sind nur die Staffage. Das Rampenlicht gehört ganz allein Heidi. Und sie weiß das. Jede Sekunde, die sie auf dem Bildschirm erscheint, gehört ihrem sorgfältig einstudierten Image: Die strenge, aber gerechte Modekönigin, die doch nur das Beste für ihre „Mädchen“ will. Dabei weiß jeder, der länger als fünf Minuten diese Show geschaut hat, dass sie nur an einem interessiert ist: an der perfekten Inszenierung ihres eigenen Mythos. Das eigentliche Model-„Coaching“? Eine Fußnote. Es geht hier um Heidi Klum, die unangefochtene Herrscherin über die Hohlheit einer paralellen Glitzerwelt.
Und genau dafür hat sie sich mit einer „Fachjury“ umgeben. Ist das nicht clever?
Sie füllt ihre eigenen Leerstellen mit Platzhaltern aus.
Denn: Wer sich mit Hampeln umgibt, die noch dumpfer sind, als man selbst, ist automatisch die Leuchtfigur. Ihre Jury-Komparsen helfen Heidi also, sich selbst in einem besseren Licht dar zu stellen. Berechnend!
Und was ist mit den Kandidatinnen? Diese Mädchen, die freiwillig in die Arena steigen und sich Woche für Woche auf das Schlachtfeld der Eitelkeiten begeben, um sich von Heidi und ihren beiden Clowns in der Jury zerreißen zu lassen? Sind sie Opfer? Oder vielleicht doch eher Komplizen in diesem Spiel der Oberflächlichkeit?
Was treibt solche jungen Menschen eigentlich in diese Shows? Man könnte meinen, es sei der Ruhm, der Glanz, das große Geld. Doch in Wirklichkeit ist es oft ein verzweifelter Schrei nach Anerkennung, der Versuch, einem Leben zu entfliehen, das sich irgendwo zwischen Belanglosigkeit und Bedeutungslosigkeit bewegt. Schaut man sich die Lebensläufe an: Vom abgebrochenen Studium der Sozialpädagogik bis hin zur arbeitslosen Friseurin – die Kandidatinnen bringen eine schillernde Mischung aus gescheiterten Ambitionen und haltlosen Träumen mit.
Nehmen wir Lisa, 19 Jahre, ehemalige Verkäuferin im Drogeriemarkt. Ihr großer Traum? Einmal über den Laufsteg in Paris schweben. Ihre Qualifikationen? Nun ja, sie hat ein Gesicht. Und lange Beine. Und das scheint in der Welt von GNTM zu reichen. Lisa hat keine Ahnung von Haute Couture, geschweige denn von der Modebranche. Aber das macht nichts, denn bei GNTM geht es nicht um Fachwissen oder Talent, sondern um die perfekte Illusion. Und Lisa, mit ihrem freundlichen, aber leeren Lächeln, passt perfekt in dieses Konzept. Eine mehr oder weniger kurvige Projektionsfläche für die Machtträume der Modebranche zu sein.
Was jedoch komplett außen vor bleibt, ist der Charakter. Diese Mädchen, die sich freiwillig den verbalen Peitschenhieben der Jury aussetzen, haben oft die Persönlichkeit eines trockenen Toastbrots. Warum auch ein reiches Innenleben pflegen, wenn man sich stattdessen auf die Illusion eines glamourösen Äußeren verlassen kann? Tiefe Gedanken und Bildung? Fehlanzeige. In der Welt von GNTM zählt nur die androgyn-anpassbare Oberfläche, und da ist kein Platz für intellektuelle Tiefe oder echte Emotionen.
Nehmen wir die berühmte „Helikopter-Shooting“-Challenge als Beispiel. Die Teilnehmerinnen hängen in schwindelerregender Höhe an einem Seil über einem Flughafen und sollen dabei „ihren inneren Glanz“ entfalten. Was wir sehen, sind zittrige Hände, panische Blicke und gezwungene Lächeln – ein grausames Schauspiel, bei dem die Kandidatinnen bis an ihre physischen und psychischen Grenzen gehen müssen. Und wofür? Für das Versprechen einer glamourösen Karriere, die in 95 Prozent der Fälle nach der Show ohnehin wieder in der Belanglosigkeit versinkt.
Und dann kommt die Jury angeschlendert und mokiert: „Das war einfach nicht gut genug“.
Der verzweifelten Kandidatin wird Unfähigkeit entgegengeschleudert, obwohl sie gerade noch all ihren Mut zusammengenommen hat, um in 10 Metern Höhe unter einem Knatternden Hubschrauber hängend, eine halbwegs brauchbare figur zu machen.
Ein Topmodel hat keine Angst. Ein Topmodel ist unfehlbar. Und genau dieses Prinzip wird den Mädchen eingeimpft, bis sie es selbst glauben. Ein bisschen Todesangst hat noch niemandem geschadet – schließlich formt Leiden den Charakter. Oder zumindest das Instagram-Profil.
In jedem Fall ist „Germany’s Next Topmodel“ ein Paradebeispiel dafür, wie tief der menschliche Verstand sinken kann, wenn der Hunger nach Ruhm und Anerkennung alle anderen Werte verdrängt. Es ist ein Spiegel unserer oberflächlichen, verlogenen Kultur, und es zeigt, dass selbst im glitzernden Scheinwerferlicht die Schatten der Verzweiflung und Bedeutungslosigkeit niemals weit entfernt sind. Heidi, danke für die Lektion in menschlicher Niedertracht und kultureller Dekadenz.
Man könnte meinen, die Show hätte wenigstens den pädagogischen Wert, die Tücken des Modellebens zu zeigen. Aber nein, statt Realismus gibt es nur eine verquere Traumwelt, in der es wichtiger ist, perfekt auszusehen, als tatsächlich etwas auf dem Kasten zu haben. Die Kandidatinnen werden wie Marionetten durch ein Skript gezwungen, das so tiefgründig ist wie ein Wasserglas. Ihre Persönlichkeit? Nebensächlich. Hauptsache, sie passen ins Bild – oder besser gesagt in Heidis Vorstellung von Bild.
Aber vielleicht liegt das eigentliche Problem nicht mal bei Heidi Klum, Thomas Hayo oder den Kandidatinnen selbst. Vielleicht sind wir, die Zuschauer, das wahre Monster in diesem Spektakel. Denn ohne uns gäbe es keine Show. Ohne unsere morbide Faszination für den öffentlichen Zusammenbruch junger Frauen hätte GNTM längst seinen Reiz verloren. Wir sitzen da, vor unseren Fernsehern oder Laptops, und genießen die Show wie einen Autounfall in Zeitlupe. Wir wissen, dass es falsch ist, dass das, was wir da sehen, im Grunde genommen Menschen auf ihrem Tiefpunkt zeigt – und doch können wir nicht wegsehen.
Die Show ist ein perfektes Abbild unserer Kultur, die Leistung nur durch Schmerz akzeptiert und Schönheit als einzige legitime Währung sieht. Wer sich dem nicht unterwirft, hat keinen Platz in dieser glitzernden Welt. Und das wirklich Tragische ist, dass wir das nicht nur akzeptieren, sondern sogar feiern. Wir fiebern mit, wenn die Kandidatinnen scheitern, weinen, verzweifeln – als wäre ihr Scheitern ein Teil unseres eigenen Erfolgs.
Vielleicht erkennen wir uns ja selbst in diesen gescheiterten Existenzentwürfen – auf eine Weise, die uns ein bisschen zu gut gefällt. Es wäre wohl zu ehrlich, in den Bildschirm zu schauen und zuzugeben, dass diese Show nur den Zynismus widerspiegelt, der in jedem von uns steckt.
Heidi Klum hat es geschafft, uns alle zu Komplizen in ihrem Spiel der Oberflächlichkeit zu machen. Sie dreht an den Rädchen, aber wir sind diejenigen, die das System am Laufen halten. GNTM ist kein Einzelfall – es ist ein Symptom. Ein Symptom für die Krankheit einer Gesellschaft, die Schönheit mit Wert gleichsetzt und den menschlichen Verstand auf Likes und Follower reduziert.
Doch während Heidi sich über das glitzernde Spektakel erhebt und die Kameras blitzen, bleibt ein leiser Widerstand bestehen. Es ist dieser letzte Funke von Selbstachtung, der sich trotzig behauptet. Kein lauter Krieger, sondern ein stiller Antiheld, der flüsternd, fast unbemerkt, seinen Kampf führt: gegen die Versuchung, sich selbst aufzugeben, gegen den allgegenwärtigen Druck, zu gefallen und die eigene Tiefe in den Hintergrund zu drängen. Er kämpft in jedem gequälten Lächeln, das sich hinter einer perfekt inszenierten Pose versteckt, und in jedem zitternden Atemzug, der im Glanz der Scheinwerfer untergeht. Und obwohl er von Woche zu Woche leiser wird, verstummt er nicht ganz. „Du bist mehr als nur eine Fassade,“ flüstert er, und in diesen Worten lebt die hartnäckige Hoffnung auf ein Leben, das nicht von Oberflächlichkeit diktiert wird.
Doch der wahre Sieg dieses inneren Antihelden wird nicht durch ein Foto besiegelt, nicht durch die finale Entscheidung einer Jury. Er wird nur in dem Moment errungen, in dem eine Kandidatin die Show verlässt und begreift, dass Selbstwert kein Accessoire ist, das von anderen bestimmt wird. Der Sieg gehört demjenigen, der den Laufsteg hinter sich lässt, um seinen eigenen Weg zu finden – jenseits der glitzernden Welt aus illusion, die aus nichts anderem besteht als fremden Erwartungen.
Lieber Thomas,
ach, wo soll ich da anfangen? Deine Worte über GNTM und die allgegenwärtige Heidi Klum – jawohl, jene Hohepriesterin der Glitzerwelt, der Messias der austauschbaren Fassade – lassen mich fast bedauernd nicken. Das hast du wunderbar beschrieben: Diese Show, in der ein Möchtegern-Caesar Mädchen vorführt, die so voller Träume und so leer an Lebenserfahrung sind, dass es schmerzt. Eine Seifenoper der Belanglosigkeit, könnte man sagen – aber dafür müsste man Seifenopern beleidigen.
Heidi Klum… als wäre sie eine Mischung aus Medusa und Cheerleader-Trainerin, die mit ihren gepressten Lippen und den perfekt einstudierten Blicken darüber urteilt, ob ein junges Mädchen „gut genug“ ist. Für was? Ein Leben in Magazin-Covern und Laufstegen voller Abgründe? Kaum zu fassen, dass so viele junge Frauen – Mädchen, könnte man sagen – das als Karriere sehen. Die Nachmittage mit Selbstwertfragen und dem Bedürfnis, im Rampenlicht zu stehen, füllen, während es die Welt draußen einen feuchten Kehricht interessiert, ob sie nun „edgy“ genug dreinblicken oder nicht.
Ich verstehe die Faszination nicht, Thomas, wirklich nicht. Aber vielleicht bin ich dafür einfach zu alt. Die Idee, sich freiwillig einem Tribunal zu stellen, um im Anschluss von jemandem wie Heidi, die einen in fünf Minuten auf Social Media vergessen hat, abgesägt zu werden – das ist, als würden sie für ihr eigenes emotionales Scheitern unterschreiben. Ein kollektiver Vertrag des Scheiterns in High Heels. Und dann dieses Publikum, das klatscht und jubelt, als wären wir in einem Colosseum, nur dass man den Löwen die Krallen gestutzt hat und die Käfige mit Scheinwerfern geschmückt sind.
Die traurige Wahrheit ist doch: Selbst wenn eine dieser jungen Damen es „schafft“ – was hat sie dann wirklich erreicht? Ein paar Jahre, in denen sie im richtigen Licht steht und im richtigen Winkel über den Laufsteg marschiert? Und danach? Dann ist sie vergessen, schneller, als sie das Wort „Selbstachtung“ buchstabieren könnte. Selbstachtung – das ist ja fast schon ein obsoletes Konzept für diesen Zirkel der Eitelkeiten, wie du so treffend sagst. Wo kein Raum für echte Emotionen ist, da verliert man schneller als man gucken kann auch den letzten Rest Authentizität.
Du hast das herrlich beschrieben, Thomas, aber ich glaube, selbst du konntest die volle Absurdität dieser Inszenierung nicht erfassen. Man müsste die Kamera mal umdrehen und den Zuschauer zeigen, der gebannt zusieht, wie eine 19-jährige Ex-Verkäuferin in 10 Metern Höhe über einem Hubschrauber baumelt, während sie eine Pose halten muss, die irgendein Hayo als „not fierce“ bezeichnet. Stell dir das mal vor! Das ist doch, als würde man jungen Frauen sagen: Die Welt ist dein Schlachtfeld, aber du hast nur dein Lächeln als Waffe. Kein Wunder, dass man da über kurz oder lang auf die Nase fällt. Und die Zuseher geilen sich dran auf!
Ich habe mich schon immer über diese Show geärgert, mehr noch als über das Dschungelcamp, und das ist schon eine Marke für sich!
Ich frage mich: Wird sich je etwas ändern, solange es Zuschauer gibt, die sich mit diesem Glitzerkitsch die Abendstunden vertreiben? Am Ende stecken wir wohl alle mit drin. Ein Spiel der Oberflächlichkeit, und wir klatschen und fiebern mit, als wäre das Leben ein Fotoshooting Anderer und kein echtes Abenteuer für uns Selbst.
Es scheint so, als würden die Menschen immer mehr zu einer homogenen Masse verschmelzen, die sich davon abhängig machen, was Andere ihnen zeigen oder tun – für sich Selbst zu stehen, kann das überhaupt noch jemand?
Mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und stillem Respekt für deine ehrliche Betrachtung, dein Felix Brandt
Lieber Felix,
deine Antwort ist der Finger mitten in die Wunde, die wir wohl alle ein bisschen in uns tragen. Ja, du hast vollkommen recht: Dieses Spiel der Oberflächlichkeit, dieser Glitzerkitsch, wie du ihn nennst, ist mehr als nur ein Spektakel, es ist ein Spiegel, der uns zeigt, wie sehr wir uns selbst verloren haben. Da sitzen wir und schauen zu, als ginge es nur um die anderen, während wir selbst längst die Statisten in unserer eigenen Realität geworden sind.
Und du bringst es auf den Punkt: Diese homogene Masse, die nach den Taten anderer lechzt, die darauf angewiesen ist, dass das Leben der Anderen den eigenen Bildschirm ausfüllt – das ist die eigentliche Tragik. Selbst die Glitzerfassaden von GNTM wirken ja fast wie ein Witz, wenn man bedenkt, wie sehr wir alle darauf konditioniert sind, die Illusionen anderer über unsere eigenen zu stellen.
Kann überhaupt noch jemand für sich selbst stehen, wie du so treffend fragst? Es scheint, als ob das Standing auf eigenen Beinen zu einer Rarität geworden ist – eine Eigenart, die genauso bald „aus der Mode“ kommt wie die Kandidatinnen, die Woche für Woche abgesägt werden.
Deine Worte, Felix, bestätigen, was ich oft sehe: Wie viel in diesem „Zuschauen“ steckt.
Denn du hast recht: Solange wir mitklatschen, uns auf diese schnellen Illusionen einlassen, werden wir selbst zum Teil dieser abscheulichen Gleichförmigkeit. Und dass es mehr braucht, als bloßes Schulterzucken und Kopfschütteln – es braucht die Bereitschaft, wirklich hinzusehen und zu begreifen, was das alles über uns selbst aussagt. Und, wenn wir ehrlich sind, ist dies nicht unbedingt das, was wir im Spiegel sehen wollen, oder?
Vielleicht, Felix, ist es Zeit, ein bisschen von deinem Pragmatismus und deiner Standfestigkeit in diese Welt zurückzubringen – so, wie du es sagst, klar und unbeirrt. Ich versuche das.
Danke für deine Worte, die mir einmal mehr gezeigt haben, dass es immer noch ein paar Menschen gibt, die sich nicht so einfach verbiegen lassen.
Mit Respekt und einem danke!
Thomas